#operationklarheit – MES, Corona- und Eurobond: worüber ist es die Rede?

Die Karlsruher Vertretung der Partito Democratico veranstaltet in dieser Wochen eine Reihe aus zwei Videokonferenzen nach den Motto #operationklarheit. Unser Ausgangspunkt ist, dass in der Debatte über mögliche finanzielle bzw. wirtschaftliche Mitteln, die Coronavorus-Krise in der Europäischen Union zu bekämpfen, viel zu oft übertrieben wird. Dazu noch: man hat den Eindruck, es herrscht Unklarheit, worüber genau die Rede ist. Unsere erste Videokonferenz, die am 7. April stattgefunden hat, war gerade als Antwort zur Frage „Worüber geht es denn, eigentlich?“ gedacht. Referenten sind gewesen:  

  • Pierluigi Ciocca, Stellvertretetende Vorsitzender der Italienischen Zentralbank a.D.
  • Angela Schirò, Abgeordnete des italienischen Parlaments.

Es folgt eine Zusammenfassung der Videokonferenz, von unserem Mitglied Prof. Aldo Venturelli verfasst. Dieser Text soll als eine Art vom Autor selbst aufgeführte „sprachliche Übermittlung“ aus der italienischen Fassung zu verstehen. Wir sind dennoch der Meinung, im Hinblick auf unseren nächster Videokonferenz, dieses noch rohes Material zur Verfügung zu stellen.

Hier die Italienische Fassung

Unser nächster Treffen wird auf Deutsch stattfinden! Die PD Karlsruhe lädt gerne ein:

Mittwoch, 22. April 

#operationklarheit – Coronavirus und seine Folgen für Italien, Deutschland und Europa

mit

  • MdB Lars Castellucci, SPD
  • on. Angela Schirò, PD

Uhrzeit wird bekannt gegeben.

Zusammenfassung 

  1. Merkmale der gegenwärtigen Krise;
  2. Mögliche Maβnahmen gegen die Krise;
  3. Gegenwärtiger Zustand der öffentlichen Schulden in Europa;
  4. Maβnahmen für die Wiederherstellung des sozialen Gleichgewichts;
  5. Funktion und Bereiche der Anlagen der öffentlichen Hand;
  6. Finanzpolitik und Bankensystem;
  7. Koordinierung in Europa und mögliche Hilfsmitteln;
  8. Aspekte der italienischen Wirtschaftspolitik.
  1. Merkmale der gegenwärtigen Krise

Abgesehen von der Opfer und von der starken Veränderungen des gesellschaftlichen Lebens, ist die gegenwärtige wirtschaftliche Situation besonders schwer, anders und schlechter als die Krise aus den Jahren 2008-2009. Schlechter: im Jahr 2009 verminderte sich das Bruttoprodukt innerhalb der Eurozone von 4,5% – in Italien und in Deutschland von 5,5%; diese Verminderung koennte sich verdoppeln, falls Europa nicht massiv, schnell und in einer streng koordinierter Art wirken sollte. Anders: damals betraf die Krise die gesamte Nachfrage und schuf Instabilität in einiger Länder, mit besonderem Hinblick auf Griechenland; so hätte eine wirksamere Verstärkung der globalen Nachfrage und der schwächsten Staaten genügend sein können. Heute betrifft die Pandemie dagegen alle, nicht nur die Nachfrage, sondern auch die Produktion. Die Produktion wird durch Pessimismus, Ungewissheit gegenüber die Dauer der Pandemie, Unterbrechung der Arbeit, der Logistik und der Verteilung gebremst; so haben die Preise keine Funktion mehr als Anzeiger für die Bestimmung der Ressource. Die Gefahr einer Stagflation, in der das Angebot langsamer als die Nachfrage wächst, besteht.

  1. Mögliche Maβnahmen gegen die Krise

Haushaltspolitik und Geldpolitik müssen expansiv sein, aber sie müssen aufmerksam dosiert werden, um Inflation zu vermeiden. Durch eine genaue Betrachtung der Input – Output können die Prioritäten der Wiederöffnung der wirtschaftlichen Bereichen festgestellt werden. 

Die Gefahr der Inflation wird jetzt in den Vereinigten Staaten nicht betrachtet: das angekündigte, starke Wachstum der Staatsausgaben – in der Höhe von 10% des gesamten Bruttoprodukts – kann ein Wachstum der Staatsschuld bis 15% des gesamtem Bruttoprodukts pro Jahr verursachen, das Passiv der gesamten Staatsschuld kann das 120% des gesamten Bruttoprodukts erreichen. Auch die FED – die zentrale Bank in der Vereinigten Staaten – wirft viel Geld in die Wirtschaft und kauft – direkt oder im Markt – Staatsschuldpapiere, wie innerhalb ihrer Kompetenzen ist (im Unterschied gegenüber der EZB, der europäischen Zentralbank; auch die Banca d’Italia, die italienische Zentralbank, hatte einmal – wie die FED – diese Kompetenz).

Auch in Europa – genauer gesagt: im EUR-Raum – wurden die im Maastricht-Vertrag vorgesehenen Haushalt-Bindungen aufgelöst, die Staat-Unterstützung an die Unternehmen erlaubt, , Geld kostenlos zu Verfügung gestellt.

  1. Gegenwärtiger Zustand der Staatsschulden in Europa 

Im EUR-Raum können Staatsaufgaben und Staatsschulden wachsen, weil die Grundlage heute besser und fester als in der Vereinigten Staaten sind. Im EUR-Raum erreicht der Mittelwert der Staatsverschuldung 1% des gesamten Bruttoprodukts – 2,5% in Frankreich, 1,6% in Spanien und in Italien (ein solcher Wert in Italien ist der niedrigste seit 20 Jahren), der Staat-Haushalt ist in Deutschland und Niederland aktiv. Der Mittelwert der gesamten Passivs der Staatsschuld innerhalb des EUR-Raums erreicht das 80 % des gesamten Bruttoprodukts.

  1. Maβnahmen für die Wiederherstellung des sozialen Gleichgewichts

Alle mögliche Maβnahmen für die Wiederherstellung des sozialen Gleichgewichts müssen dringend aktiviert werden. D. h.: Maβnahmen gegen die Arbeitslosigkeit, Unterstützung des ärmsten Teils der Bevölkerung, Unterstützung von Personen und Familien, die ihres Einkommen in dieser Situation verloren haben. Staatliche Gewährleistung des Bankdarlehens fuer die Unternehmen ist besonders nützlich. Jede Form von Verschwendung, Evasion, übertriebener laufenden Ausgaben muss begrenzt werden.

  1. Funktion und Bereiche der Anlagen der öffentlichen Hand

Ein mehrjähriges Programm für wirksame Anlagen der öffentlichen Hand in die materielle und immaterielle Infrastrukturen, wie Gesundheitssystem, Klima-und-Umweltschutz, Verhütung gegen natürliche Katastrophen, ist in dieser Situation besonders nützlich und dringend, weil solche Anlagen der öffentlichen Hand innerhalb eines Staat-Haushalt Nachfrage und Angebot, zusammen mit Produktion und Produktivität unterstützen. Vor allem in einer Situation von Rezession und niedriger Zinssätze wie die gegenwärtige schaffen Anlage der öffentlichen Hand eine dreimalige Vervielfältigungswirkung der gesamten Nachfrage und demzufolge des gesamten Bruttoprodukts; d. h.: 1% des Bruttoprodukts für Anlagen der öffentlichen Hand schafft innerhalb 2 Jahren ein Wachstum des Bruttoprodukts von 3%. Eine solche Wirkung kann nicht mit der Erhöhung der laufenden Ausgaben oder mit einer Steuersenkung erreicht werden. Tendenziell gibt eine Selbstfinanzierung der Anlagen der öffentlichen Hand, weil sie innerhalb 2 Jahren Einkommen und Steueraufkommen vervielfältigen.

  1. Fiskalpolitik und Banksystem

In der gegenwärtigen Situation ist die Schaffung der Geldflüssigkeit durch Operationen „im offenen Markt“ besonders wichtig. Einige Bindungen in den Satzungen der EZB und der SEBC (System der Zentralbanken aller 27 Ländern der Europäischen Union), wie sie im Maastricht-Vertrag bestimmt wurden, sollten ausgesetzt werden, so dass EZB und SEBC – vor allem im Fall einer äuβersten Verschlechterung der Krise – nicht nur durch Operationen „im offenen Markt“, sondern auch durch den direkten Einkauf von Staatsschuldpapiere wirken könnten (wie im Fall der FED); sie sollten auch die Möglichkeit haben, in Situationen an der Grenzen der Zahlungsunfähigkeit – und nicht nur als keine Liquidität mehr anwesend ist – eingreifen zu können.

  1. Koordinierung innerhalb der EU und ihre mögliche Hilfsmitteln

Die enge Koordinierung und der starke Zusammenhang der EU und des EUR-Raums ist in dieser Situation ein besonders wichtiges Zeichen für die Finanzmärkte und für die gesamte europäische Wirtschaft; jeder Streit ist sehr bedauerlich. Mehrere Hilfsmittel sind zu Verfügung, sie müssen in ihrer Gesamtheit und in ihrer Zusammenstellung als Bestandteile eines einziges Pakets und einer einheitlichen Strategie betrachtet werden. Die Hypothese in Diskussion sind mehrere: ein MES ohne Bedingungen – in der gegenwärtigen Situation wären die Bedingungen ganz gegenwirkend -; das SURE gegen die Arbeitslosigkeit; Corona-oder-Euro-Bond, auch unter anderen Namen, die Anlage der BEI für die Unterstützung der Unternehmen, die Erweiterung und die Programme des EU-Haushalts, eventuell aufgefasst in Form eines neues „Marshall-Plans“. Eine kürze Bemerkung über MES: es hat den Vorteil, dass das Geld schon anwesend und benutzbar ist, ohne auf neue Entscheidung warten zu müssen; so sind die Streiten in Italien über seine Anwendung schwer verstehbar. Genaue Hypothese über die gesamten Kosten der Pandemie und ihrer Folgen sind jetzt unmöglich, aber einige Voraussichten sind schon möglich: eine Verminderung des gesamten Bruttoprodukts im EU-Raum von etwa 10% innerhalb dieses Jahrs ist heute denkbar. Weil das gesamte Bruttoprodukts des EU-Raums ein Wert von etwa 12.000 Milliarden EUR hat, ist eine Unterstützung der gesamten Nachfrage durch öffentliche Hand in der Höhe von etwa 1.000 Milliarden nötig. Diese Kosten müssen durch Schulden gedeckt werden: z.B. 500 Milliarden EUR durch EU-Institutionen, 500 Milliarden durch die einzelnen EU-Länder. Die Folgen innerhalb des gesamten EUR-Raums: ein Wachstum der gesamten Staatsschuld bis 9% des jährlichen Bruttoprodukts, des gesamten Passivs der gesamten Staatsschuld bis 90% des jährlichen Bruttoprodukts; das Verständnis der Finanzmärkte für solchen Maβnahmen ist höchst wahrscheinlich. Zwar ist eine europäische Wachstumsstrategie in Europa besonders wichtig: das bisherige Wachstum seit etwa 20 Jahren von nur 1% pro Jahr ist ungenügend. Gerade um dieses Wachstum zu sichern, ist ein vernünftiges, wirksames Plan von Anlagen durch die öffentliche Hand in Europa besonders wichtig; etwa 100 – 150 Milliarden EUR der gesamten hypothetischen Summe von 1.000 Milliarden sollten auf dieses Plan gewidmet werden.

  1. Aspekte der italienischen gegenwärtigen Wirtschaftspolitik 

Einige Bemerkungen als Einführung: die italienische Staatsschuld ist ganz tragbar. D.h.: Italien braucht keine „Hilfe“. Zwar gibt es ein Problem der Glaubwürdigkeit, aber die wirtschaftlichen Probleme in Italien haben vorwiegend eine innere Ursache. Das EUR ist auβer Diskussion: es ist eine ausgezeichnete Währung, die international sehr geschätzt ist; eine solche Währung hat Preise und Zinssätze wesentlich stabilisiert. Was nötig ist, ist eine entschiedene Rückkehr auf das wirtschaftliche Wachstum. Wirksame Eingriffe sollten so die folgenden Bereiche betreffen: ein neues Gleichgewicht innerhalb des Staat-Haushalt; eine koordinierte Strategie für Süditalien; Anlagen durch die öffentliche Hand; ein neues Gleichgewicht in der Verteilung des Einkommens; neue Rahmenbedingungen für die Wirtschaft; eine stärkere Wettbewerbsfähigkeit. Zwar bleibt eine neue europäische Wirtschaftspolitik – nicht nur jetzt als Folge der Pandemie – besonders wünschbar. Alle diese Eingriffe, und dieselbe Glaubwürdigkeit Italiens in Europa, haben aber einige entscheidenden Voraussetzungen: ein einheitlicher Wille der zivilen Gesellschaft und eine bessere, sachlichere Information der öffentlichen Meinung. So ist es besonders wichtig, in Italien zu arbeiten, um diese Voraussetzungen zu schaffen.

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